Da bei der Verdunstung von Flächen mittlerer Blattgrösse die Randzonen gegenüber den mittleren Zonen mehr verdunsten, muss die Abkühlungstemperatur der verdunstenden Fläche am Rande tiefer liegen als in den Mittelzonen. Mit dieser theoretischen Annahme sei keineswegs die Behauptung aufgestellt, dass die Abkühlungstemperatur direkt proportional der Verdunstung sei, sondern nur, dass die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung überhaupt berechtigt ist. Die Frage zu beantworten zu versuchen: Wie ist die Temperaturverteilung bei verdunstenden Flächen mittlerer Blattgrösse und transpirierenden Blättern?, ist nicht mehr zu sehr gewagt, da durch die Arbeit von Seybold (1929) nicht nur einige orientierende Daten mitgeteilt werden, sondern Zugleich die Apparatur, die diesen Messungen diente, hier weitere Verwendung finden konnte. Der Anknüpfungspunkt an die erwähnte Arbeit liegt weniger an der gleichartigen Benutzung derselben Apparatur, als an dem zentralen Problem dieser Arbeit überhaupt. Das transpirierende Blatt als spezielles Psychrometer anzusehen, verspricht für weitere Untersuchungen grossen Erfolg, da die Theorie des Psychrometers in die Verhältnisse des Massen- und Energieaustausches klaren Einblick gibt, der für die Kenntnis der physiologischen Leistung pflanzlicher Systeme ohne Zweifel erforderlich ist. Die Psychrometerdifferenz ist nicht nur abhängig vom Dampfdruck und dem Temperaturzustand der Luft, sondern auch vom Bewegungszustand derselben und ausserdem von der Form und der Grösse der Thermometerbulbe. Die scharfe Scheidung des Verdunstungsprozesses in bewegter und unbewegter Luft ist daher für pflanzliche Transpirationssysteme nicht minder wichtig als für vollkommen physikalisch definierbare Systeme, und das Problem der Form und Grösse pflanzlicher Systeme ist für die Biologie ein zentrales, vor allem wenn die physikalischchemischen Leistungen der Systeme in Beziehung zu Gestaltqualitäten gesetzt werden, die jenseits der physikalischen Definitionen liegen.