1918
Vergrünung als parallele Mutation
Publication
Publication
Recueil des travaux botaniques néerlandais , Volume 15 - Issue 1 p. 17- 26
Bekanntlich hat die Oenothera biennis L. unserer holländischen Dünen sich imstande gezeigt, eine Reihe von Mutationen hervorzubringen und darunter mehrere, welche auch aus O. Lamarckiana erhalten worden sind und deshalb mit dem Namen parallele Mutationen belegt wurden. Ich erinnere an das Auftreten der Biennis-Zwerge und an die Fähigkeit der O. biennis in Gigas und in Lata zu mutieren1). Die parallelen Mutationen der O. biennis sind für die Mutationslehre von wesentlicher Bedeutung. Trotzdem doch, dass de Vries2) hat zeigen können, dass die O. Lamarckiana ursprünglich in N.-Amerika wildwachsend vorkam, scheinen noch immer einige Forscher eine gewisse Neigung zu haben, anzunehmen, dass sie in Europa als Bastard entstand und die aus ihr hervorgegangenen Mutationen Folgen einer Bastardspaltung sind. Zwar braucht die Mutationstheorie die Mutationen der O. Lamarckiana nicht als Stütze für ihre Berechtigung, aber einen positiven Gewinn für die Theorie bedeutet es doch, falls man beweisen kann, dass den Mutationen wirklich der Wert von Mutationen zukommt. Das kann man nun wenigstens für einige Mutanten u. a. mit Hilfe der parallelen Mutationen der O. biennis. welche eine seit Jahrhunderten konstante, reine, sich selbst schon in der noch geschlossenen Blütenknospe bestäubende Art und nicht unwahrscheinlich sogar nur eine einzige reine Linie, der Bastardnatur zuzuschreiben einfach absurd wäre '), darstellt, lieber einen neuen Fall paralleler Mutation, der mir im vorigen Sommer bekannt wurde, ist es meine Absicht, in dieser Mitteilung zu berichten. Vergrünung ist eine sehr seltene Erscheinung bei den Oenotheren. Auf S. 252 seines Werkes „Vegetable Teratology” erwähnt Masters sie für O. striata. Gates2) beobachtete zahlreiche Pflanzen mit vergrünten Blüten in einer zwischen O. Lamarckiana und O. grandiflora intermediären Rasse, die er Multiflora nannte. Kennzeichend für die vergrünten Blüten war, dass das Hypanthium sich nicht oder ungefähr nicht entwickelt hatte, die Kelchblätter sich laubblattartig, die Kronenblätter in der Form von grünlichgelben Schüppchen gestalteten, während die Staubblätter klein und steril blieben und auch das Gynaecium mehr oder weniger in Reduktion begriffen, bisweilen aber in einen beblätterten Zweig umgewandelt, war. Auffallend ist die Aehnlichkeit zwischen dieser Vergrünung und der von mir l) für Solanum Lycopersicum beschriebenen, bei der gleichfalls der Kelch sich abnormal vergrösserte, Krone und Staubblätter offenbar ganz in Wegfall gekommen waren und ein kleines beblättertes Zweiglein aus dem von den blattartigen Sepalen gebildeten Becher hervorwuchs. Gates betrachtet — wohl mit Recht — die Vergrünung seiner Multiflora-Pflanzen als eine erbliche Erscheinung, weil nie beobachtet bei O. Lamarckiana und deren Mutanten und in seiner Multiflora-Rasse wiederholt auftretend. Sonst kenne ich über Vergrünung bei Oenotheren nur noch ein Paar kurze Mitteilungen von de Vries, deren eine für uns weniger, die zweite aber besonders wichtig ist. Seite 339, Bd. I der Mutationstheorie lesen wir über die Vergrünung Folgendes. „Ich fand sie an den Oenotheren bei Hilversum nie, und in meinen Culturen nur einmal in einem einzigen Exemplare. Es war dies'ein zweijähriger, blühender Zwerg im Sommer 1890, dessen Samenertrag dadurch nahezu völlig verloren ging. Ich halte diese Vergrünung für eine ansteckende Krankheit, nach Analogie jener Fälle, wo Parasiten als Ursachen von Vergrünungen beobachtet worden sind.” Wenn de Vries hier sagt, dass er nur einmal einer Vergrünung begegnete, denkt er blosz an die Vergrünung als krankhafte Erscheinung, denn S. 303, Bd. I der Mutationstheorie berichtet er über eine weitere vergrünte Pflanze, die diesmal durch Mutation aus O. Lamarckiana entstanden war. „Sie trieb neben ihrem Hauptstengel noch eine Gruppe von Seitenstengeln aus den Achseln der Wurzelblätter. Von diesen hat eine einzige geblüht, mit normalen Blumen, wie die der Mutterart. Die übrigen und der Hauptstengel aber blieben bis in den Herbst hinein steril, mit kleinen, grün beblätterten Zweiglein in den Achseln der Blätter (Fig. 96), welche der Pflanze ein ganz eigenthümliches Aeussere verliehen.” In einer Fusznote heisst es dazu: „Diese Verlaubung war eine aus inneren Ursachen entstandene und keine pathologische Vergrünung, wie sie von Parasiten (Phytopten, Blattläusen u. s. w.) hervorgerufen zu werden pflegt.” Man geht wohl nicht fehl, wenn man den Seitenstengel, der Blüten erzeugte, als Rückschlagspross betrachtet. Genau dieselbe Mutation habe ich nun im vergangenen Sommer in meinen Biennis-Kulturen auftreten sehen.
| Additional Metadata | |
|---|---|
| Recueil des travaux botaniques néerlandais | |
| CC BY 3.0 NL ("Naamsvermelding") | |
| Organisation | Koninklijke Nederlandse Botanische Vereniging |
|
Theo.J. Stomps. (1918). Vergrünung als parallele Mutation. Recueil des travaux botaniques néerlandais, 15(1), 17–26. |
|